Folgenden Redebeitrag haben Aktive der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt auf der Mahnwache für die Opfer des rassistischen Anschlages in Hanau gehalten, welche am Donnerstag, den 27. Februar in Müncheberg stattfand.
„Am 21. Januar letztes Jahr brannte in Strausberg ein Dönerladen. Verletzt wurde zum Glück niemand, aber Zeugenaussagen deuten auf Brandstiftung hin. Nach wie vor ermittelt die Polizei, bisher konnte sie weder die TäterInnen fassen noch ein klares Motiv ausmachen.
Wenn ein Dönerladen, eine Shishabar oder ein Blumenladen brennt, denke ich als erstes an einen rassistischen Anschlag. Und das aus gutem Grund: Migrantisch betriebene Geschäfte werden ständig von RassistInnen angegriffen. Scheiben werden eingeschmissen, sie werden beschmiert, mit Aufklebern voll geklebt oder in Brand gesetzt. Die Menschen in den Geschäften werden angespuckt, beleidigt oder, wie bei dem Anschlag von Hanau oder den Taten des NSU, einfach erschossen.
Wo ich als Erstes an Rassismus denke, denkt die Polizei allzu häufig überhaupt nicht daran. Der tausendmal gehörte Satz, man ermittle in alle Richtungen, löst nur noch ein schales Gefühl in mir aus. Nicht selten wird ein rassistisches Motiv sofort ausgeschlossen oder Hinweise in diese Richtung werden gekonnt ignoriert. Jahrelang ermittelte die Polizei im Umfeld der Opfer des NSU, beschuldigte die Getöteten und ihre Angehörigen und kam so den mörderischen Neonazis keinen Schritt näher. Von den vielen Verstrickungen, Vertuschungen und Lügen des Verfassungsschutzes will ich hier gar nicht anfangen.
Wenn Politiker*innen jetzt nach Hanau fordern, man müsse die Stellen beim Verfassungsschutz aufstocken oder Polizeieinheiten vor Shishabars postieren, dann wirkt das wie ein schlechter Scherz. Die Polizei, die auf den Straßen Racial Profiling durchführt und Migrant*innen und Schwarze Menschen ohne Grund durchsucht, soll jetzt vor den Bars stehen? Verfassungsschützer*innen, die die NSU-Akten schreddern oder sie, wie in Hessen, für Jahrzehnte sperren, sollen vor Rechten und Rassist*innen warnen?
Die vietdeutsche Journalistin Minh Thu Tran schreibt in der Süddeutschen Zeitung: „Bei vielen von Rassismus betroffenen Menschen ist kein Vertrauen in die Sicherheitsbehörden da. Ich glaube nicht, dass sie mich, meine Freundinnen und Freunde, meine Familie schützen. Ich war nach dem Anschlag in Hanau nicht geschockt. Fast schon routiniert bin ich in einen Überlebensmodus gewechselt: Habe meine Familie angerufen, meinen Bruder gebeten, erst mal nicht mehr mit seinen Freunden in Shishabars zu gehen, habe Freundinnen in den Arm geschlossen, die mir gesagt haben, dass sie Albträume davon hatten, erschossen zu werden.“
(https://sz-magazin.sueddeutsche.de/abschiedskolumne/hanau-rassismus-kritik-88424)
Menschen, die in Deutschland Rassismus erfahren, wissen, dass ein Anschlag wie der in Hanau überall passieren kann. Rassistische weiße Deutsche, voll mit Parolen von AfD, Pegida oder anderen Nazis, bestätigt in Filterblasen, unzufrieden und verärgert oder heldenhaft und kampfbereit, gehen los und erschießen Menschen auf dem Boden wie Tiere. Schaut euch in euren eigenen Städten um. Wo sind die Dönerläden, die Blumenläden, die Shishabars? Was könnt ihr tun, um diese Menschen zu supporten, sie zu schützen? Vielleicht könnt ihr öfter dort vorbeigehen, eure Besorgungen dort machen, mit den Leuten ins Gespräch kommen. Wenn etwas passiert, und wenn es nur der Naziaufkleber am Schaufenster ist: Sprecht die Leute an, fragt nach, bietet Unterstützung an. Dass wir uns auf die Polizei und den Staat nicht verlassen können, wissen wir. Was wir brauchen, seid ihr.“