Rechte Vorfälle in Märkisch-Oderland auf Höchststandim Superwahljahr 2024

Die ehrenamtliche Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland registrierte für das Jahr 2024 insgesamt 384 rechte Vorfälle und damit einen neuen Höchstwert im Landkreis. Über 70 Fälle stehen im Zusammenhang mit den Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen. Die landesweite Beratungsstelle Opferperspektive e.V. verzeichnete insgesamt 14 Übergriffe in Märkisch-Oderland, sieben davon waren rassistisch motiviert.

Rechte Vorfälle im Kontext der Wahlen 2024

Im Zeitraum April bis September 2024 wurden 74 Vorfälle mit einem direkten Bezug zu den Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen verzeichnet. Bei 19 Fällen handelt es sich um Sachbeschädigungen in Form von rechten Schmierereien auf Wahlplakaten; die unzähligen zerstörten oder gestohlenen Wahlplakate wurden dabei nicht berücksichtigt. „Wir sehen in den Sachbeschädigungen immer wieder direkte ezugnahmen auf die AfD“, so Peps Gutsche von der ehrenamtlichen Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch- Oderland. „Zum Teil treten Hakenkreuze zusammen mit Aufforderungen, die AfD zu wählen, auf.“ Insgesamt erfasste die Beratungsstelle für das Jahr 2024 99 Sachbeschädigungen, darunter auch 43 Hakenkreuzschmierereien.

Rechte Propaganda im gesamten Landkreis

Rechte Propaganda, insbesondere in Form von Stickern, macht mit 142 Fällen den größten Teil der erfassten Vorfälle aus. „Durch neue Versandhandel und die Verteilung über Social Media bekommen die Sticker eine neue Reichweite. Sie sind einfach zu erhalten und der Inhalt wird massenkompatibler“, so Tom Kurz von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland. „Dabei verschieben sich die eindbilder: Der Anteil an rassistischen Stickern ist zurückgegangen, queerfeindliche und Anti-Antifa-Motive sind dagegen omnipräsent.“
Maßgeblich verantwortlich für rechte Propaganda und Bedrohungen in der Region sind rechte Jugendgruppen. Diese haben sich in den letzten Jahren neu gegründet oder stärker ausdifferenziert. Eine deutliche Zunahmen ist auch für die Aktivitäten der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ und ihrer ugendorganisation der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) festzustellen. Vor allem in Bad Freienwalde nd Strausberg sind mehrere Vorfälle diesen neonazistischen Akteuren zuzuordnen. Hinzu kamen gezielte Aktionen an Schulen, bei denen die NRJ Flyer an Schüler:innen verteilte.

Rechte Gewalt – besonders gegen Minderjährige

Von den 273 rechten Gewalttaten im gesamten Land Brandenburg, die die Opferperspektive e.V. für das Jahr 2024 registriert hat, fanden 14 (2023: 22) in Märkisch-Oderland statt. Zusätzlich zu den in der aktuell veröffentlichten Chronik erfassten acht Angriffen dokumentiert die Opferperspektive e.V. sechs schwere Fälle von Bedrohungen. In der Hälfte der Fälle waren die Taten rassistisch motiviert. „Der Rückgang egistrierter Angriffe gegenüber dem Vorjahr 2023 mit 22 Angriffen stellt keineswegs eine Besserung der Situation dar“, so Julian Muckel von der Opferperspektive e.V. „Vielmehr zeigt es, dass rechte inschüchterungsversuche zum Teil erfolgreich sind und Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft ihr Engagement zurückfahren und von Rechten dominierte Orte meiden.“ Erschreckend hoch ist der Anteil von minderjährigen Betroffenen rechter Gewalt. „Dass jeder zweite Angriff im Landkreis sich gegen Minderjährige richtete, verdeutlicht die Enthemmung rechter Gewalt“, so Muckel. „Die rechten Mobilisierungen, etwa gegen CSDs im ganzen Land, zeigen, dass rechte Akteure zunehmend ebenfalls jünger werden.“
„Es ist wichtig, darüber zu sprechen, warum sich junge Menschen rechtem Gedankengut zuwenden und welche gesellschaftlichen Antworten wir finden können und müssen“, so Peps Gutsche von der ehrenamtlichen Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland. „Dabei dürfen wir aber nicht aus dem Blick verlieren, dass für migrantisch oder queer gelesene Personen der öffentliche Raum zunehmend zur Gefahr wird.“
Die Beratungsstellen fordern eine angemessene finanzielle Absicherung der dringend notwendigen Beratungsstrukturen für Betroffene rechter Gewalt und eine stärkere Auseinandersetzung mit dem nötigen Schutz von Personen, die potenziell durch Neonazis und rechte Angriffe betroffen sind.

Die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Märkisch-Oderland (BOrG) wurde 2000 von Mitgliedern des Alternativen Jugendprojektes 1260 e. V. in Strausberg gegründet und dokumentiert rechte Vorfälle im Landkreis, informiert zu extrem rechten Erscheinungsformen und bietet eine Erstberatung für (potenziell) Betroffene rechter Gewalt an. Die Opferperspektive – Solidarisch gegen Rassismus, Diskriminierung und
rechte Gewalt e.V. ist die Brandenburger Fachberatungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und berät landesweit Betroffene, deren Angehörige oder Freund:innen und Zeug:innen. Im Rahmen eines Monitorings werden systematisch Fälle rechter Gewalt, Statistiken und Analysen zur Entwicklung rechter Gewalt in Brandenburg veröffentlicht. Die Erhebung rechter Vorfälle in Märkisch-Oderland wird maßgeblich durch die ehrenamtlich tätige BORG erarbeitet. Die Opferperspektive e.V. ergänzt die Chronik mit dem Abgleich rechter Angriffe.


Die komplette Chronik rechter Vorfälle für Märkisch-Oderland.

Eine Übersicht aller Vorfälle unter Angabe von Ort, Datum und Quelle.

Das Hintergrundpapier der Opferperspektive zu rechter Gewalt in Brandenburg im Jahr
2024.